Konstruktivismus ist eine Richtung innerhalb der Erkenntnistheorie und befaßt sich mit dem Entstehen von Wahrheit und Erkenntnis. Danach gibt keine objektiven Wahrheiten, sondern nur die jeweils persönliche Sichtweise eines Menschen, das ist die persönliche oder subjektive Wahrheit. Jeder Mensch nimmt seine Umgebung mit den ihm zur Verfügung stehenden körperlichen und geistigen Mitteln wahr. Danach ist Wahrheit nicht objektiv sondern subjektiv.
Konstruktivismus hilft mir in der Beratung, die unterschiedlichen Wahrnehmungen von Menschen zu hören und bietet mir ein Gerüst, verschiedene Aussagen zu vermeintlich eindeutigen Ereignissen zu hören und mit den Unterschieden zu arbeiten. Im weiteren Vorgehen werden Handlungsschritte für das praktische Handeln in der Realität erarbeitet. Es geht also in der Beratung nicht um die Herstellung von Realität, sondern um die Erarbeitung von Problemlösungen.
Konstruktivismus negiert allgemeingültige Definitionen von Wahrheit, Erkenntnisgewinn ist demnach individuell. Konstruktivismus befaßt sich auch mit dem Prozess der Erkenntnis und fragt, welche körperlichen und seelischen Bereiche sind an diesem Prozess beteiligt? Wie und unter welchen Bedingungen verläuft und entsteht Erkenntnis? Jeder Mensch ist ein Individuum – demzufolge läuft der Erkenntnisvorgang bei jedem Menschen individuell ab. Hierbei handelt es sich um ein Gefüge von Vorgängen der Sinnesorgane und der dazu gehörenden Nerven. Alle Organe arbeiten zusammen und erbringen über sich selbst hinaus eine neue Funktion. Sie generieren etwas Neues. Das ist eine Errungenschaft der Evolution! Generativität ist der springende Punkt für die Lebensfähigkeit von Sozialsystemen. Die Theorie des Konstruktivismus beschreibt diesen Vorgang.
Demokrit ……erklärte schon im 5. Jahrhundert vor Christus, „dass wir nicht erkennen können, wie in Wirklichkeit ein jedes Ding beschaffen ist oder nicht beschaffen ist.“ Ernst von Glaserfeld: Konstruktion der Wirklichkeit und des Begriffs der Objektivität, in Einführung in den Konstruktivismus, 5. Auflage Mai 2000, S.9, Zitiert nach Wilhelm Capelle, Die Vorsokratiker, Stuttgart, 1953; 4. Auflage., Fragment 10, S. 437; vgl. Hermann Diels, Die Fragmente der Vorsokratiker, Hamburg, 1957, S. 101. Und weiter: „In diesen ersten schriftlichen Aussagen über die Schranken des Wissens liegt, wie ein wehmütiger Schatten, das Gefühl der Unzulänglichkeit – als hätten die Götter den Menschen zwar Vernunft verliehen, doch nicht genug, um ein wahres Bild der Wirklichkeit zu gewinnen.“ ebenda S 9.